EnBW-Aktionär sieht Verstoß gegen Rechtsstaatsprinzip // Gesetz 
dehnt Haftung unrechtmäßig auf Landkreise und deren Bürgerinnen und 
Bürger aus // Handwerkliche Fehler machen Nachhaftungsgesetz faktisch
zu einem „Lex EnBW“ // Rechtsunsicherheit verhindert Zusammenarbeit 
der beiden großen EnBW-Gesellschafter
   Die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) haben heute eine 
Verfassungsbeschwerde gegen das Nachhaftungsgesetz beim 
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Das Gesetz weitet 
nach Einschätzung der OEW die Haftung für Abbau- und 
Entsorgungskosten im Kernenergiebereich rechtsstaatswidrig auf bisher
nicht haftende Gesellschafter wie die OEW aus. Damit verstößt es 
gegen das Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz) sowie
die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Artikel 28 Absatz 2 GG).
   „Wir halten die Intention des Nachhaftungsgesetzes für vollkommen 
legitim. Es soll verhindern, dass sich Energiekonzerne ihrer 
finanziellen Verantwortung für den deutschen Atomausstieg entziehen 
können und der Staat und seine Steuerzahler für die Folgekosten 
aufkommen müssen. Gut gedacht ist aber nicht automatisch gut gemacht.
Das Gesetz dehnt die Haftung de facto auf bisher nicht haftende 
Gesellschafter wie die OEW aus. Das halten wir für 
verfassungswidrig“, so Lothar Wölfle, Vorsitzender des Zweckverbands 
OEW und Landrat des Bodenseekreises. „Als Interessenvertreter der im 
Zweckverband OEW zusammengeschlossenen Landkreise kommen wir mit der 
Verfassungsbeschwerde unserer treuhänderischen Pflicht gegenüber den 
Landkreisen und ihren Bürgerinnen und Bürgern nach – auch wenn das 
Haftungsrisiko aufgrund der stabilen Entwicklung der EnBW aus 
heutiger Sicht sehr theoretischer Natur ist.“
   Der Zweckverband OEW ist ein Zusammenschluss von neun 
oberschwäbischen Landkreisen (Alb-Donau-Kreis, Biberach, 
Bodenseekreis, Freudenstadt, Ravensburg, Reutlingen, Rottweil, 
Sigmaringen, Zollernalbkreis), der über die OEW Energie-Beteiligungs 
GmbH mit 46,75 Prozent an der EnBW AG beteiligt ist. Als 
Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht treten der 
Zweckverband OEW, die OEW Energie-Beteiligungs GmbH sowie der 
Landkreis Alb-Donau-Kreis auf.
Nachhaftungsgesetz schießt über sein eigentliches Ziel hinaus
   Das Nachhaftungsgesetz (Gesetz zur Nachhaftung für Abbau- und 
Entsorgungskosten im Kernenergiebereich) wurde am 27. Januar 2017 vom
Deutschen Bundestag verabschiedet. Es ist mit der beihilferechtlichen
Genehmigung der EU-Kommission im Juni 2017 in Kraft getreten. Das 
Gesetz hat zum Ziel, die finanziellen Risiken für öffentliche 
Haushalte im Zusammenhang mit der Stilllegung, dem Rückbau und der 
Entsorgung von radioaktiven Abfällen von Kernkraftwerken zu 
reduzieren. Energieunternehmen sollten sich über eine 
Restrukturierung oder den Verkauf ihres Kernkraftgeschäfts nicht von 
der Haftung befreien können. Die ursprüngliche Haftungssituation 
sollte konserviert werden. Faktisch hat der Gesetzgeber die Haftung 
aber mit dem Nachhaftungsgesetz auf bisher nicht haftende 
Gesellschafter erweitert. Mehrheitsaktionäre – also herrschende 
Unternehmen – verlieren im Fall einer Insolvenz eines Energiekonzerns
nicht mehr nur ihre Kapitaleinlagen. Sie sollen künftig auch für 
dessen Verbindlichkeiten haften. Diese Regelung ist aus Sicht der OEW
grundgesetzwidrig.
   Das Nachhaftungsgesetz hebt damit nämlich einen für das 
Kapitalgesellschaftsrecht tragenden Grundsatz auf: die Trennung von 
Privat- und Gesellschaftsvermögen. Aktionäre haften nicht mit ihrem 
Privatvermögen für die Verbindlichkeiten von Kapitalgesellschaften. 
Für die OEW wird dieses Trennungsprinzip nun rückwirkend außer Kraft 
gesetzt. Dabei handelt es sich um einen Verstoß gegen das 
Rechtsstaatsprinzip. Die Erweiterung der Haftung auf nicht haftende 
Gesellschafter war nicht erforderlich, um das eigentliche Ziel – die 
Konservierung der Haftungsmasse – zu erreichen.
„Eine Ungleichbehandlung, die wir nicht hinnehmen können“
   De facto stellt das Nachhaftungsgesetz eine existenzielle 
Bedrohung für den Zweckverband OEW und die neun oberschwäbischen 
Landkreise dar. Aufgrund der mangelnden Insolvenzfähigkeit des 
Zweckverbands OEW wären die Landkreise – und damit ihre Bürgerinnen 
und Bürger – im theoretischen Fall einer Insolvenz der EnBW AG in der
Nachschusspflicht. Das widerspricht dem Leitgedanken des 
Nachhaftungsgesetzes und hebelt die Selbstverwaltungsgarantie der 
Landkreise aus.
   „De facto ist das Nachhaftungsgesetz ein Lex EnBW“, so Lothar 
Wölfle. „Zwar hat das Nachhaftungsgesetz vier Adressaten. Faktisch 
trifft die Haftungserweiterung aber ausschließlich die beiden 
EnBW-Hauptgesellschafter. Das ist eine Form der Ungleichbehandlung, 
die wir nicht hinnehmen können – erst recht vor dem Hintergrund, dass
E.ON seine Haftungsmasse durch eine Lücke im Gesetz sogar reduzieren 
konnte.“
   Wölfle weiter: „Es ist ein absolutes Novum, dass 
Mehrheitsaktionäre rückwirkend in die Haftung einer 
Kapitalgesellschaft einbezogen werden. In diesem spezifischen Fall 
ginge das letzten Endes sogar zu Lasten der Steuerzahler in 
Baden-Württemberg. Dabei könnte man die handwerklichen Fehler des 
Gesetzes mit nur geringfügen Korrekturen beseitigen und das Gesetz 
somit verfassungskonform gestalten.“
Aktionärsvereinbarung Ende 2015 aufgelöst
   In den ersten Referentenentwürfen des Nachhaftungsgesetzes bezog 
sich die Haftungserweiterung auf „herrschende Unternehmen“. Die OEW 
haben den Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass man die 
Aktionärsvereinbarung mit der Neckarpri-Beteiligungsgesellschaft mbH 
unter diesen Umständen auflösen müsse. Erst danach wurde die 
Gesetzesbegründung um die Passage ergänzt, die auch 
Minderheitsgesellschaftern ohne Aktionärsvereinbarung einen 
beherrschenden Einfluss unterstellt. Zur Sicherheit  haben die 
Neckarpri-Beteiligungsgesellschaft mbH und die OEW 
Energie-Beteiligungs GmbH ihre Aktionärsvereinbarung Ende 2015 
dennoch aufgelöst. Es bleibt aber unklar, ob sich eine Haftung der 
OEW tatsächlich vermeiden lässt. Gerichte könnten das Gesetz so 
auslegen, dass auch zwei Großaktionäre ohne Aktionärsvereinbarung 
einen beherrschenden Einfluss ausüben können. Mit dem 
Nachhaftungsgesetz ist somit eine erhebliche Rechtsunsicherheit 
entstanden.
   „Die EnBW ist ein gesundes Unternehmen, das die Energiewende 
erfolgreich meistert“, sagt Barbara Endriss, Geschäftsführerin des 
Zweckverbands OEW. „Aber der Unternehmensumbau ist noch lange nicht 
abgeschlossen. Wir können uns jedoch bei wichtigen strategischen 
Entscheidungen mit dem EnBW-Gesellschafter Baden-Württemberg nicht 
mehr abstimmen. Das ist absolut kontraproduktiv. Auch deshalb wehren 
wir uns mit dieser Verfassungsklage.“
   Beraten und vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten werden die 
Kläger von den Stuttgarter Anwälten Dr. Gert Brandner (Haver & 
Mailänder Rechtsanwälte) und Dr. Thomas Würtenberger (Wuertenberger 
Rechtsanwälte).
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