Als unlauter bezeichnete der Bund für Umwelt und 
Naturschutz Deutschland (BUND) die für morgen angekündigten Proteste 
der Stahl-Industrie gegen eine Reform des Europäischen 
Emissionshandels und deren Unterstützung durch 
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Ministerpräsidentin 
Hannelore Kraft. Beide werden als Hauptredner zu einer Kundgebung 
beim sogenannten Stahlaktionstag vor der ThyssenKrupp-Hauptverwaltung
erwartet. „Es ist legitim, wenn Menschen auf die Straße gehen, weil 
sie um ihre Arbeitsplätze bangen. Scheinheilig ist es, dass die 
Stahl-Unternehmen für ihre wirtschaftlichen Probleme den Klimaschutz 
mitverantwortlich machen. Wie kaum ein anderer Industriezweig hat die
Stahl-Branche vom Emissionshandel profitiert, weil dieser 
energieintensive Unternehmen stark begünstigt. Regierungen müssen 
sich dafür einsetzen, dass der Übergang in eine emissionsfreie 
Wirtschaft gelingt, anstatt sich von der Industrie vor den Karren 
spannen zu lassen“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
   Nach Recherchen der Klimaschutzorganisation Sandbag besitze allein
ThyssenKrupp 33 Millionen überschüssige CO2-Zertifikate, 11,6 
Millionen europäische und weitere, billigere aus Drittstaaten, was in
etwa den doppelten Jahresemissionen des Konzerns entspricht. Auch 
Konzerne wie die Salzgitter AG oder ArcelorMittal erhielten deutlich 
mehr Zertifikate als sie an CO2 emittierten. Die deutsche Eisen- und 
Stahlindustrie konnte den Daten der Deutschen Emissionshandelsstelle 
zufolge bislang stets alle Emissionen mit kostenlosen Zertifikaten 
decken. Hinzu kamen massenhaft billige Zertifikate aus Drittstaaten 
(„Offsets“), die gleichberechtigt abgegeben werden dürfen. „Der 
Emissionshandel ist für energieintensive Unternehmen bisher ein 
Goldesel, keine Belastung. Durch den Zertifikatehandel konnten 
Unternehmen, nicht zuletzt der Stahl-Branche, mit ihren 
klimaschädlichen Emissionen zusätzliche Profite in Milliardenhöhe 
erwirtschaften. Die überschüssigen kostenlosen CO2-Zertifikate wurden
verkauft oder umgetauscht und CO2-Kosten, welche die Konzerne gar 
nicht hatten, reichten sie trotzdem zu guten Teilen an ihre Kunden 
weiter. Anders als in den meisten anderen EU-Staaten werden 
energieintensiven Unternehmen in Deutschland zusätzlich die 
CO2-Kosten im Strombezug erstattet – aus Mitteln für den 
Klimaschutz“, kritisierte Weiger. Allein die Eisen- und 
Stahl-Industrie habe dadurch im Jahr 2014 etwa 77 Millionen Euro und 
im Jahr 2015 rund 45 Millionen Euro erhalten, trotz der historisch 
niedrigen Strompreise für Großverbraucher und eines minimalen 
CO2-Preises.
   „Klimaschutz sieht anders aus. Von einer ehrgeizigen 
CO2-Minderungs-Strategie würden auch energieintensive Unternehmen und
somit ihre Beschäftigten profitieren“, sagte der BUND-Vorsitzende. 
Dies belege unter anderem eine Studie für die nordrhein-westfälische 
Landesregierung. „Für die Krise der Stahlindustrie sind nicht 
Klimaschutzanstrengungen verantwortlich, sondern unternehmerische 
Fehlentscheidungen, geringe Nachfrage und ein übersättigter Markt. 
Der Emissionshandel muss rasch und substantiell reformiert werden, 
damit er klimaschutzwirksam wird. Bislang fehlt dem europäischen 
Klimaschutz jeglicher Ehrgeiz“, sagte Weiger. So sei das 
EU-Klimaschutzziel für 2020 so niedrig gewählt worden, dass es 
bereits 2014 erreicht worden sei, das spiegele sich im 
Emissionshandel.
   „Damit der Emissionshandel wirksam wird, muss eine Knappheit auf 
dem Markt entstehen, doch zurzeit liegt die Obergrenze für 
klimaschädliche Treibhausgase zehn Prozent über den realen 
europäischen Emissionen. Die Reformvorschläge der EU-Kommission für 
den Emissionshandel greifen zu kurz, um dem Klimaschutzabkommen von 
Paris gerecht zu werden. Die EU-Klimaziele müssen deutlich angehoben 
werden, um die Dekarbonisierung bis spätestens zur Mitte des 
Jahrhunderts zu erreichen. Die mehr als zwei Milliarden 
überschüssigen CO2-Zertifikate müssen endgültig gelöscht und Offsets 
dürfen nicht mehr zugelassen werden. Industrieunternehmen sollen für 
ihre Zertifikate künftig grundsätzlich bezahlen, das erhöht den 
Anreiz für Klimaschutz und verhindert die bisherigen 
Mitnahmeeffekte“, sagte Weiger.
Pressekontakt:
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Ein neues Emissionshandelsregime wird doch niemals so flexibel sein, dass nur so viel Zertifikate auf den Markt kommen, wie wirklich nur „benötigt“ werden. Was der BUND hier fordert, ist auch nicht das Gelbe vom Ei.