Der NABU hat die Vorgehensweise der 
schleswig-holsteinischen Landesregierung beim notwendig gewordenen 
Planänderungsverfahren für die Fehmarnbelt-Querung scharf kritisiert.
Die Frist zur Stellungnahme innerhalb des laufenden Verfahrens mitten
in die Ferienzeit aller Bundesländer zu legen, in der Gutachter, 
Rechtsanwälte und Mitarbeiter vom NABU und anderen Organisationen 
Urlaub fest geplant hätten, sei ein Affront. „Das Verhalten der 
Landesregierung Schleswig-Holstein ist ein Angriff auf die 
Beteiligungsrechte von Betroffenen und Verbänden. Es ist bezeichnend,
dass ausgerechnet die federführenden Sozialdemokraten mit wenig 
Rücksicht auf soziale Belange aller Beteiligten die Terminierung 
allein im Sinne des dänischen Vorhabenträgers vornehmen“, sagte 
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Nach Einschätzung des NABU 
sind die von Femern A/S vorgelegten Planergänzungen erneut löchrig 
und wurden erst durch die wohlwollende Mithilfe der 
schleswig-holsteinischen Verwaltung so optimiert, dass eine 
aktualisierte Fassung überhaupt noch rechtzeitig kurz vor 
Ferienbeginn ausgelegt werden kann.
   Während die mehrere Tausend Seiten umfassenden Ordner vom 12. Juli
bis zum 12. August 2016 eingesehen werden können, endet die Frist für
Stellungnahmen am 26. August. Nötig geworden war eine Vielzahl von 
Ergänzungen seitens des Vorhabenträgers, da der Erörterungstermin in 
Kiel im November 2015 auch durch die kritische Bewertung des NABU 
grobe Mängel der angeblich einwandfreien Unterlagen von Femern A/S zu
Tage gebracht hatte.
   „Die Dänen stehen zeitlich enorm unter Druck und ausgerechnet die 
Landesregierung macht sich ungeniert zum Steigbügelhalter dänischer 
Interessen, statt die Interessen der Betroffenen zu schützen. Das ist
skandalös“, so Miller. Entsprechend sei auch von einer im Kieler 
Verkehrsministerium angesiedelten Planfeststellungsbehörde, die 
gegenüber den Weisungen des Verkehrsministers gebunden ist, keine 
Unabhängigkeit zu erwarten.
   Angesichts der extrem kurzen Fristen und immer komplexer werdenden
Verfahren fordert der NABU seit Langem eine Anpassung von 
Planfeststellungsverfahren an die Realität. „Durch die Terminierung 
wird ganz offensichtlich darauf gehofft, dass weiterhin vorhandene, 
nicht zu beseitigende Schwachstellen des infrastrukturell 
überflüssigen und ökologisch hoch riskanten Projektes von uns 
übersehen werden. Denn die Sichtung und Bewertung von mehreren Metern
Aktenordnern ist schon unter regulären Umständen eine 
Herausforderung. Angesichts ferienbedingter Abwesenheiten 
maßgeblicher Mitarbeiter und Gutachter wird es beinah unmöglich sein,
in der nötigen und grundsätzlich auch möglichen Tiefe die Masse des 
neuen Materials mit den Originaldokumenten zu vergleichen und in 
adäquatem Umfang und entsprechender Qualität Stellung zu nehmen“, 
sagt Malte Siegert, Fehmarnbeltexperte des NABU. Allein die Übersicht
der Änderungen der Planfeststellungsunterlagen habe 135 Seiten.
   Angesichts des zuvor veröffentlichten Inhaltsverzeichnisses geht 
der NABU davon aus, dass seitens des Vorhabenträgers bei Weitem nicht
alle offenen Fragen erschöpfend beantwortet werden können. Weiterhin 
fehlt unter anderem eine europarechtlich vorgeschriebene 
„Strategische Umweltprüfung“ (SUP) möglicher Alternativen, wie zum 
Beispiel die Anbindung von Kopenhagen über die Jütlandroute.
   Seit 2005 engagiert sich der NABU aktiv gegen Europas größtes 
Infrastrukturprojekt. Der NABU fordert angesichts eines nachweislich 
komplett fehlendenden Bedarfs und zahlreicher veränderter Parameter 
die Vertragsstaaten Deutschland und Dänemark auf, Artikel 22 des 
Staatsvertrages ernst zu nehmen und das Vorhaben endlich 
grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen.
Die Hauptkritikpunkte des NABU sind:
Rechtlich:
   ·Staatsvertrag einzige Begründung für das Projekt, statt 
tatsächlicher Notwendigkeit (Verkehrsaufkommen, sozio-ökonomische 
Bedeutung)
   ·Staatsvertrag hebelt die Prüfung von Alternativen unrechtmäßig 
aus
   ·Keine Bewertung der räumlichen Projektabhängigkeiten von 
Fehmarnbelt-Tunnel, Fehmarnsundbrücke und B 207 (kumulative Effekte 
sowohl auf Menschen und Umwelt)
   ·Privatisierung einer deutschen Bundesstraße durch das Königreich 
Dänemark
Verkehrlich:
   ·97 Prozent Verkehrsverlagerung von der Storebelt-Brücke statt 
zusätzlichem Verkehr im gesamten Raum / auf der Fehmarnbeltquerung
   ·Veraltete Prognosen unterschiedlicher Quellen mit uneinheitlichen
Zahlen (DK Transport Ministerium, Bundesministerium für Verkehr)
   ·Keine Einbeziehung des Fährverkehrs, Vernachlässigung 
alternativer Routen (z. B. Rostock-Gedser, Travemünde-Trelleborg) und
Verkehrsmittel (Flugzeug)
Ökologisch:
   ·Verlängerung der Bauzeit ohne zusätzliche Bewertung der 
ökologischen Auswirkungen
·Unzureichende Ermittlung negativer Folgen für Schweinswale
   ·Fehlende Bewertung kumulativer Wirkungen auf Zug- und Rastvögel 
(Nahrungshabitate)
   ·Zu grobes Raster zur Abschätzung der Sedimentation in der 
Bauphase, mangelnde Prognose negativer Langzeitwirkungen auf 
Laichgründe,zu kurzer Prognose-Horizont (40 statt 200 Jahre)
Bautechnisch:
   ·Unzureichende Untersuchung günstiger und machbarer 
Bohrtunnelalternativen
   ·Havarie: Kein adäquates Sicherheitskonzept für 
Flachwasserbereiche
·Fehlendes kohärentes Konzept für Gefahrgüter
Finanziell:
·Fehlende Finanzanalyse inklusive Fährverkehr
   ·Volatilität des „Border-Shop“-Aufkommens (1/3 des  
Gesamtaufkommens durch günstige Spezialtickets für dänische Kunden)
·Reduzierte EU-Förderung (600 Mio. statt 1,4 Mrd.)
   ·Keine Preis-Reduzierung auf Storebelt-Brücke (Vermeidung 
attraktiver alternativer Querungsmöglichkeiten)
Barrieren:
·Maut, Sprache, Währung
   Mehr Infos: www.NABU.de/umwelt-und-ressourcen/verkehr/verkehrsinfr
astruktur/index.html
Pressekontakt:
Malte Siegert, NABU-Fehmarnbelt-Experte, Tel. +49 (0)40.69708915 oder
Mobil +49 (0)173.9373241, E-Mail: siegert@NABU-hamburg.de
Nikola Vagt, NABU-Fehmarnbelt-Expertin, Mobil +49 (0)176.2373 2207, 
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