Lungenfachärzte und andere Wissenschaftler halten 
die derzeit verhängten Fahrverbote gegen ältere Diesel-PKW für 
unbegründet. Nach Recherchen für die NDR Dokumentation „Exclusiv im 
Ersten: Das Diesel-Desaster“ bestreiten die Experten die 
wissenschaftliche Grundlage der bestehenden Luftreinhaltegesetze und 
darüber hinaus die Methoden, mit denen in Deutschland Luftschadstoffe
wie Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2) gemessen werden. „Exclusiv 
im Ersten: Das Diesel-Desaster“ von Thomas Berbner und Torben Börgers
läuft am 7. Januar um 21.45 Uhr.
   Der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für 
Pneumologie, Dieter Köhler, hält die bestehenden Grenzwerte von 40 
Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel und 
für 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel für 
wissenschaftlich nicht haltbar. Dem NDR sagte Köhler: „Der jetzige 
Grenzwert für NO2 und auch Feinstaub ist völlig ungefährlich und 
produziert keinen einzigen Toten.“
   Köhler kritisiert die statistische Methode, durch den Vergleich 
von Krankheitsdaten von Menschen aus der Stadt mit denen von 
Bewohnern im ländlichen Raum Rückschlüsse auf die Ursache von höheren
Krankheitszahlen und früherem Todeseintritt zu ziehen. Andere 
Faktoren wie zum Beispiel Alkoholkonsum, sportliche Betätigung oder 
Rauchen seien in solchen Beobachtungsstudien nicht ausreichend 
berücksichtigt worden.
   Die Direktorin des Münchener Helmholtz-Zentrums für Umweltmedizin,
Annette Peters, tritt dieser Kritik entgegen. Die anderen Faktoren 
seien berücksichtigt und ihr Einfluss mit statistischen Methoden 
herausgerechnet worden. Peters sagte dem NDR: „Unsere Studie, die wir
im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführt haben, hat 
ausgerechnet, dass es ungefähr 6.000 Todesfälle in Gesamtdeutschland 
sind oder ungefähr 50.000 Lebensjahre, die in der Gesamtbevölkerung 
verloren gehen.“
   Auch das Umweltbundesamt bleibt bei seiner Position, wonach 
Stickstoffdioxid und Feinstaub in Deutschland zu vielen tausend 
vorzeitigen Todesfällen führten. Wolfgang Straff vom Umweltbundesamt:
„Mit jeden zehn Mikrogramm pro Kubikmeter NO2 steigt die Anzahl von 
Menschen, die bestimmte Erkrankungen, zum Beispiel 
Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln.“ Der ärztliche Direktor des 
Stuttgarter Krankenhauses vom Roten Kreuz tritt dieser Sichtweise 
entgegen. Dem NDR sagte Martin Hetzel: „Es gibt keine 
Feinstaub-Erkrankung der Lunge oder des Herzens und es gibt keine 
NO2- Erkrankung der Lunge oder des Herzens, die man im Krankenhaus 
antrifft. Das gibt es nicht. Es gibt auch keinen einzigen Todesfall, 
der kausal auf Feinstaub oder NO2 zurückzuführen wäre. Das sind 
konstruierte mathematische Modelle.“
   Auch die derzeit in Deutschland verwendeten Messverfahren für 
Feinstaub und Stickstoffdioxid werden von Fachleuten infrage 
gestellt. Matthias Klingner vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und
Infrastruktursysteme kritisiert die Platzierung der wohl bekanntesten
Messstelle für Luftschadstoffe am Neckartor in Stuttgart. Dort werden
seit Jahren Überschreitungen der Grenzwerte für Feinstaub und 
Stickstoffdioxid festgestellt. Der NDR hat Messungen des 
Fraunhofer-Instituts begleitet. Sie zeigen einen erheblichen Einfluss
der benachbarten Kreuzung auf die Messwerte. Matthias  Klingner: „Wir
sehen hier viele Spitzen, wenn wir uns die anschauen, dann sind das 
die Anfahrvorgänge der Autos, die nach der Rotphase anfahren. Da 
brauche ich besonders viel Treibstoff. Das sieht man hier, eigentlich
der Grund, weshalb solche Messstationen ein ganzes Stück entfernt 
stehen sollen von den Kreuzungen, um diese Anfahrvorgänge eben nicht 
explizit zu erfassen. Aber so erzeugt man eben hohe Stickoxidwerte.“
   Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann 
(Bündnis90/Die Grünen) verteidigte den Standort der Messstelle am 
Neckartor im Gespräch mit dem NDR. Er verwies auf die angrenzende 
Wohnbebauung, zudem sei der vorgeschriebene Mindestabstand zur 
nächsten Kreuzung eingehalten. Winfried Hermann : „Wir haben das 
übrigens mehrfach überprüfen lassen. Ich muss sagen: Jeder 
Wissenschaftler, der irgendwann mal was gehört hat von Feinstaub oder
von Stickoxid, meint, er müsse sich da einmischen. Aber nicht alle 
sind kompetent.“
   Die Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte für 
Stickstoffdioxid hat zuletzt in Stuttgart zu Fahrverboten für ältere 
Diesel geführt. Seit dem 1. Januar gilt in der gesamten Innenstadt 
ein Verbot für Diesel-PKW der Generation Euro 4 und älter. Mit einer 
Erweiterung des Verbots auch auf Diesel-Abgasnorm Euro 5 wird noch in
diesem Jahr gerechnet. Diese Verbote basieren auf den in den 
europäischen Verordnungen festgelegten Grenzwerten für NO2 und 
Feinstaub. Auf Grundlage der Überschreitung des Grenzwerts für 
Stickstoffdioxid haben zahlreiche Gerichte in Deutschland Fahrverbote
für ältere Diesel-PKW angeordnet.
   Bitte bei Zitaten Quellenhinweis: „Exclusiv im Ersten: Das 
Diesel-Desaster“
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