Über 27.000 Naturschutzgebiete in Europa sind 
bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt ein von der Naturschutzorganisation
WWF beauftragtes Rechtsgutachten. Der Grund: EU-Kommissionspräsident 
Jean-Claude Juncker hat einen „Fitness-Check“ der beiden 
entscheidenden EU-Naturschutzrichtlinien angeordnet. Derzeit werden 
die mögliche „Verschmelzung“ und „Modernisierung“ der Vogelschutz- 
und der Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie geprüft. Laut 
WWF-Einschätzung droht eine europaweite Abschwächung von 
Naturschutzvorgaben zugunsten von Infrastrukturprojekten und 
Wirtschaftsinteressen.
   „Europas Naturschutz darf nicht unter dem Vorwand der 
Modernisierung zugunsten der Wirtschaft abgeschwächt werden“, so 
Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz  beim WWF Deutschland. Auf 
Grundlage des juristischen Gutachtens des Instituts für Naturschutz 
und Naturschutzrecht in Tübingen befürchtet man beim WWF eine massive
Schwächung der Vorschriften zum Schutz von Arten, Lebensräumen und 
Schutzgebieten in der EU – mit unabsehbaren Konsequenzen für bedrohte
Tiere und Pflanzen. Naturschutzerfolge aus 20 Jahren würden 
leichtfertig aufs Spiel gesetzt, so der Vorwurf.
   Anstatt sich in kostspieligen Reformen zu verlieren sollten, so 
die WWF-Forderung, die EU-Staaten damit anfangen die Gesetzestexte 
konsequent mit Leben zu füllen. Leider sei hier auch Deutschland kein
Musterschüler: Für nahezu 2.800 von 4.700 Schutzgebieten fehlt es 
laut WWF immer noch ein rechtlicher Schutz entsprechend der 
Richtlinien. Dabei ist eine entsprechende sechsjährige Frist bereits 
2010 ausgelaufen. Aufgrund der Versäumnisse wurde 2015 ein 
Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet.
   Besonders gefährlich wäre dem Gutachten zufolge eine Abschaffung 
der “ Alternativenprüfung“. Laut derzeit geltendem Recht darf ein 
Mitgliedstaat beispielsweise eine neue Autobahn, die ein Schutzgebiet
schädigt, nicht bauen, wenn schonendere Alternativen möglich sind. 
Sollte dieser Paragraph fallen, könnten zukünftig wirtschaftliche 
Interessen immer vor Naturschutzbelange gestellt werden. Der Druck 
auf Naturschutzgebiete durch Infrastruktur- und Baumaßnahmen würde 
merklich zunehmen. Im schlimmsten Fall könnte das gesamte europäische
Schutzgebietsnetz, das weltweit größte seiner Art, dadurch zu Schaden
kommen. „Die Zerstörungen des europäischen Naturerbes droht wieder 
zur Tagesordnung zu werden und der erfolgreich begonnene Schutz, etwa
für Moore, Sümpfe, Seen und artenreiches Grünland, würde zunichte 
gemacht“, so Heinrich.
   Laut WWF wird die EU-Kommission noch in 2016 verkünden, ob die 
Richtlinien überarbeitet werden sollen. Doch selbst wenn die Vorgaben
während des Reformprozesses nicht abgeschwächt würden, drohe dem 
Naturschutz für die Zeit des aufwendigen, rund fünfjährigen 
Gesetzgebungsverfahrens der Stillstand. Zwar blieben die Richtlinien 
bis zum Beschluss neuer Gesetze in Kraft, de facto würden die 
Vorschriften jedoch zu einer „Lame Duck“, so der WWF. Die ohnehin 
schleppend verlaufenden Ausweisungen von Schutzgebieten und 
Managementprozessen vor Ort würden sich weiter verlangsamen oder 
komplett auf Eis gelegt. Der derzeit immer noch bestehende 
Negativtrend von Europas biologischer Vielfalt würde anhalten und der
Zustand vieler seltener Arten wie etwa Fischotter, Kegelrobbe, 
Laubfrosch oder Rotmilan würde sich verschlechtern statt verbessern.
Pressekontakt:
Gutachten und Hintergrundinformationen: www.wwf.de/presse 
EU-weite WWF-Kampagne: www.wwf.de/naturealert
WWF Deutschland
Pressestelle
Roland Gramling
Telefon: 030/311 777 425
E-Mail: Roland.Gramling@wwf.de

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