Artenkollaps auf dem Land Intensiv-Landwirtschaft verursacht dramatischen Artenschwund in Deutschland | WWF fordertökologischen Neustart in der nationalen und europäischen Landwirtschaftspolitik

Ohne einen ökologischen Neustart in der nationalen
und europäischen Landwirtschaftspolitik droht der Artenkollaps auf
Deutschlands Feldern und Wiesen. Davor warnt der WWF anlässlich des
Auftakts zur „Internationalen Grünen Woche“. „Während
Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt Jahr für Jahr auf der Grünen
Woche Hände schüttelt und durch die Hallen schlendert, geht es
Rebhuhn, Feldhamster und Wildbiene stetig schlechter. Ihr Kampf ums
Überleben steht stellvertretend für den tausender heimischer Tiere
und Pflanzen, die unter den Folgen der intensiven Landwirtschaft
leiden“, so Jörg-Andreas Krüger, beim WWF zuständig für den Bereich
Ökologischer Fußabdruck.

Laut Bundesregierung ist EU-weit jeder zweite in der
Agrarlandschaft beheimatete Vogel seit 1980 verschwunden, das sind
300 Millionen Tiere. In Deutschland sank die Masse von Fluginsekten
wie Hummel, Biene oder Falter in den letzten 30 Jahren um
durchschnittlich 76 Prozent. 30 Prozent aller Ackerwildkräuter stehen
auf der Roten Liste des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).
„Überdüngte, flächendeckend mit Pestiziden behandelte Anbauflächen
verdrängen artenreiche Wiesen und Weiden sowie Äcker mit vielfältigen
Fruchtfolgen. Mit ihnen verschwinden Wiesenvögel, Schmetterlinge und
Ackerwildkräuter“, warnt Krüger vom WWF.

Der WWF fordert, dass sich Deutschland in Brüssel für das Ende der
heutigen, rein flächenbezogenen Direktzahlungen stark macht.
Finanzielle Unterstützung sollte an verbindliche Ziele beim
Klimaschutz, dem Erhalt von Biodiversität und dem Schutz von Wasser
und Boden gebunden sein. „Landwirte, die nachhaltig produzieren und
damit unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützen, dürfen nicht ums
Überleben kämpfen, sie gehören angemessen honoriert“, unterstreicht
Krüger vom WWF.

Opfer der bestehenden Agrarstrukturen ist aus Sicht des WWF nicht
nur die Natur, sondern sind auch die Bauern selbst: Die Zahl der
Familienbetriebe nimmt seit Jahrzehnten ungebremst ab. Erneut ist die
Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe gesunken. 1991 waren es noch
mehr als doppelt so viele Betriebe wie heute.

Von jeder künftigen Bundesregierung erwartet der WWF daher ein
landwirtschaftspolitisches Gesamtkonzept, das den Einsatz von
Pestiziden und Düngern reduziert, die Biologische Vielfalt, Wasser
und Boden systematisch schützt und die Zukunft der Landwirte
wirtschaftlich sichert.

Zehn Beispiele für bedrohte Feld- und Wiesenarten: Über 50 Prozent
der Fläche in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Die
folgenden Arten stehen beispielhaft für den starken Rückgang
tausender Pflanzen und Tiere auf Feldern, Wiesen und Weiden und
dessen Ursachen: 1. Feldlerche: In Deutschland sind seit 1990 mehr
als eine Million Feldlerchen verschwunden, ihr Gesang ist nur noch
selten zu hören. Besonders der verstärkte Anbau von Wintergetreide
macht dem Bodenbrüter zu schaffen. Das Wintergetreide ist zum
Zeitpunkt der Brut schon dicht und hoch gewachsen, dort findet die
Feldlerche für ihr Nest und zur Nahrungssuche keinen Platz. Weicht
sie auf offenere Flächen aus, werden die Nester leichte Beute von
Füchsen oder Wieseln.

2. Feldhamster: Der Feldhamster steht in Deutschland und
Mitteleuropa vor dem Aussterben. Wenn der Feldhamster seine
Wintervorräte anlegen will, findet er kaum noch Feldkörner und Samen.
Denn in der intensiven Bewirtschaftung sind die Felder bereits
abgeerntet und die Stoppeln werden gleich umgebrochen. Viele andere
Wildkräuter am Feldrand sind durch den Einsatz von Unkrautvernichtern
rar. Der Nager wird zudem in den kahlen Flächen schnell Opfer von
Fuchs und Bussard.

3. Kornrade: Früher gelangte der Samen der Kornrade mit jeder
neuen Aussaat wieder in den Boden. Heute sortieren moderne Methoden
zur Aufbereitung des Saatguts ihn aus. Das Nelkengewächs ist deshalb
im Freiland sehr selten geworden.

4. Sommeradonis-Röslein: Das Sommeradonis-Röslein war auf vielen
Getreideäckern weit verbreitet. Der Einsatz von Unkrautvernichtern
und die intensive Bearbeitung der Äcker lässt die farbenprächtige Art
stark zurückgehen.

5. Braunkehlchen: Die Zahl der Braunkehlchen hat in Deutschland
seit der Wiedervereinigung um zwei Drittel abgenommen. Dem
Bodenbrüter mangelt es neben Wiesen oder Randstreifen mit bodennaher
Deckung auch an Stauden, niedrigen Büsche oder Zaunpfählen für die
Jagd auf Insekten. Wo das Braunkehlchen dennoch brütet, gelingt es
ihm kaum noch Jungen aufzuziehen. Denn Wiesen werden immer früher und
immer häufiger gemäht.

6. Wiesensalbei: Der Düngeüberschuss in Deutschland macht
nitratarme Böden, wie sie der Wiesensalbei braucht, zu Mangelware.
Zudem fällt er engeren Mähzyklen zum Opfer. Fehlen Wiesensalbei und
andere Wiesen- und Ackerwildkräuter, finden Insekten wie Wildbienen
weniger Nahrung.

7. Rebhuhn: Das Rebhuhn war einst Allerweltsvogel, Inzwischen ist
sein Bestand seit den 90iger Jahren europaweit um über 90 Prozent
geschrumpft. Die heutige Agrarlandschaft bietet ihm kaum noch Hecken,
breite Ränder oder Gehölze an Feldern. Zudem blühen Kräuter und
Ackerwildkräuter immer seltener und somit gibt es auch immer weniger
Insekten. Die Hauptnahrungsquellen des Rebhuhns versiegen.

8. Hauhechel-Bläuling: Viele Bestände heimischer
Schmetterlingsarten schrumpfen, auch die Zahl der Hauhechel-Bläulinge
ist im Sinkflug begriffen: Sein Lebensraum sind kleine
Brachlandschaften und blumenreiche Wiesen. Die gibt es aber immer
weniger. Manche Schmetterlingsart braucht ganz spezielle Pflanzen zur
Larvenablage, fehlt die Pflanze, gibt–s keinen Falternachwuchs.

9. Wildbienen: Von den über 550 in Deutschland beheimateten
Wildbienenarten sind laut Roter Liste des BfN mittlerweile 31 vom
Aussterben bedroht, 197 gefährdet und 42 auf der Vorwarnliste.
Typische Lebensräume wie Sandwege, alte Hecken, Totholz oder
Steinhaufen sind in vielen Regionen Deutschlands verschwunden. Der
Rückgang an Blühpflanzen führt zudem dazu, dass es Wildbienen
insbesondere im Spätsommer an Nahrung fehlt. Der Einsatz von
Neonikotinoiden setzt den Insekten zusätzlich zu.

10. Ortolan: Der Ortolan oder auch Gartenammer brütet
hauptsächlich in Feldgehölzen, an Waldrändern und in den letzten
Streuobstquartieren. Da immer mehr Obstbäume verschwinden und Felder
so zusammengelegt wurden, dass Hecken und Feldgehölze Mangelware
sind, fehlt ihm Raum für seine Nester. In Deutschland wird der
Brutbestand noch auf 4.000 bis 5.000 Brutpaare geschätzt.

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WWF World Wide Fund For Nature
Wiebke Elbe
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