Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie 
(BSH) befürchtet, dass der Meeresspiegel in den kommenden Jahrzehnten
deutlich stärker ansteigen könnte als bislang gedacht. Das geht nach 
Recherchen des NDR aus einem internen Schreiben hervor, das die 
Behörde im März an das Bundesministerium für Verkehr und digitale 
Infrastruktur (BMVI) gesandt hat, dem es untersteht. In dem Papier, 
das der NDR einsehen konnte, warnt das BSH davor, dass die bisherigen
Anstiegsszenarien des UN-Klimarates zu optimistisch sein könnten. Das
Schreiben trägt den Titel „Aktualisierung von Informationen zum 
Meeresspiegelanstieg“ und gibt den Stand aktueller Klimastudien 
wieder. Das BSH warnt das Ministerium davor, dass „ein höherer 
Anstieg des Meeresspiegels deutlich über einen Meter hinaus bis hin 
zu 1,70 Metern bis zum Ende des Jahrhunderts mittlerweile nicht mehr 
ausgeschlossen zu sein scheint“. Dies könne dazu führen, dass 
„bereits getroffene Anpassungsmaßnahmen modifiziert oder neue sogar 
in Angriff genommen werden“ müssten. Sollten die arktischen und 
antarktischen Eisschilde kollabieren, sei auch ein noch höherer 
Meeresspiegelanstieg denkbar, befürchtet das BSH.
   Bislang planen Bund und Länder mit den Anstiegsszenarien des 
UN-Klimareports. Der jüngste Report stammt aus dem Jahr 2013 und 
nennt als pessimistischstes Szenario einen Meeresspiegelanstieg von 
52 bis 98 Zentimetern bis zum Jahr 2100. Bei dieser Einschätzung 
handelt es sich um das so genannte RCP 8.5 Szenario, das den 
Meeresanstieg unter der Annahme berechnet, dass sich der globale 
CO-2-Ausstoß unverändert fortentwickelt 
(„Weiter-wie-bisher-Szenario“). Dieses Maximalszenario dient in 
Deutschland unter anderem als Orientierungspunkt beim Bau von 
Küstendeichen und für Infrastrukturmaßnahmen im Bereich der Wasser- 
und Schifffahrtsverwaltung im Küstenraum. Das BSH geht davon aus, 
dass „die heutigen Maßnahmen zur Sicherung der Küsten, Küstenbauwerke
und Küstenbesiedlungen zumindest bis zum Jahr 2050 einen 
ausreichenden Schutz vor Überflutung bieten werden“. Gleichwohl nehme
die Verletzlichkeit der flachen Küstenregionen mit steigendem 
Meeresspiegel zu. Dies betreffe „eine mögliche dauerhafte Vernässung 
sowie erhöhte dauerhafte Überflutungsgefahr“ von Landflächen unter 
Meeresspiegelniveau durch Probleme beim Süßwasserabfluss ins Meer. 
Auch „die schifffahrtliche Nutzung von staugeregelten und 
nichtstaugeregelten Küstenwasserstraßen (…) sowie die (Planung der)
Besiedlung und die zukünftige, wirtschaftliche und verkehrliche 
Nutzung von gefährdeten Räumen“ seien Problemfelder.
   Die Frage, wie hoch der Meeresspiegel in den kommenden Jahrzehnten
ansteigen wird, ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. 
Bislang konnten Klimaforscher nur schlecht abschätzen, wie stark die 
schmelzenden Eisschilde in Grönland und der Antarktis zum 
Meeresspiegelanstieg beitragen. Dies gelinge in neuen 
Forschungsarbeiten besser, sagt das BSH. Die Behörde rät dem BMVI 
dazu, zunächst abzuwarten, ob ein für Herbst 2019 erwarteter 
UN-Sonderbericht die Annahmen der aktuellen Forschung bestätigt. 
Gleichwohl sei es wichtig, bereits jetzt darüber nachzudenken, was 
ein möglicherweise verändertes Anstiegsszenario für geplante 
Infrastrukturprojekte im Küstenraum bedeuten könnte. Auch solle neben
der Klimaforschung die gesellschaftswissenschaftliche Forschung zum 
Meeresspiegelanstieg gestärkt werden, beispielsweise in den Bereichen
Risikomanagement und Raumplanung.
   Das BMVI wollte sich zu dem Schreiben nicht äußern, auch das BSH 
lehnte einen Kommentar ab. Aus dem BMVI hieß es allerdings, dass man 
eine grundlegende Neubewertung des Meeresspiegelanstiegs erst auf 
Grundlage des UN-Sonderberichts vornehmen werde.
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