Interview im Handelsblatt vom 23.3.2015 – Über 
Wirtschaft, Fachkräftemangel und Energiewende
   Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 
Volker Kauder, hat dem Handelsblatt ein Interview gegeben, das in der
heutigen Ausgabe abgedruckt ist. Im Folgenden der Wortlaut:
   „Herr Kauder, das Verhältnis der Union zur Wirtschaft lässt seit 
längerem zu wünschen übrig. Was wollen Sie tun, um es zu verbessern?
   Wir werden unsere Gespräche mit der Wirtschaft intensivieren. Über
die Herausforderungen der Zukunft müssen wir gemeinsam reden. Die 
Unions-Fraktion hat dazu eine eigene Veranstaltungsreihe aufgelegt, 
die in dieser Woche beginnt.
   Helfen Sie uns: Wann hat Ihre Fraktion zuletzt ein Gesetz zum 
Wohle der Wirtschaft eingebracht und durchgesetzt?
   Erfolgreiche Politik definiert sich nicht an der Zahl der Gesetze;
wir machen eher zu viele als zu wenige. Jetzt bereiten wir aber 
gerade etwas sehr Wichtiges vor: den Bundeshaushalt 2016. Da werden 
wir wieder keine neuen Schulden machen – ohne Steuern zu erhöhen.
Sie könnten Schulden tilgen oder Steuern senken.
   Ich denke, dass Unternehmen bei den derzeit niedrigen Zinsen auch 
ohne Steuersenkungen genügend Spielraum für Investitionen haben.
   Minister Schäuble verschreckt die Unternehmer mit seinen Plänen 
zur Erbschaftsteuer. Warum?
   Die Reform der Erbschaftsteuer ist nach dem Urteil des 
Verfassungsgerichts kompliziert, weil mit der geforderten 
Bedürftigkeitsprüfung ein Begriff aus dem Sozialrecht ins Steuerrecht
übertragen werden muss. Wir schauen uns die Einwände aus der 
Wirtschaft derzeit genau an. Ich habe mit vielen Mittelständlern 
gesprochen. Sie alle wollen auf jeden Fall eine Regelung, die 
verfassungsfest ist, um Rechtsklarheit zu haben. Daran arbeiten wir.
   Wirtschaftsminister Gabriel attestiert der Union eine 
„Engelsgeduld“ angesichts der vielen Sozialgesetze. Wann setzt Ihre 
Fraktion Akzente?
   Alles, was wir bisher beschlossen haben, ist Teil des 
Koalitionsvertrags, wie übrigens auch das Nein zu Steuererhöhungen. 
Weil wir wissen, dass der Wirtschaft einiges zugemutet wurde, sagen 
wir aber klar: Es darf keine zusätzlichen Belastungen geben, die über
den Koalitionsvertrag hinausgehen. Wir müssen ferner die Wirtschaft 
von Bürokratie entlasten.
   Aber das entsprechende Gesetz hat der Wirtschaftsminister 
vorgelegt.
   Die Idee, dass für jede neue Bürokratie an anderer Stelle 
Bürokratie abgebaut werden muss, stammt von der Union. Und sie muss 
jetzt auch umgesetzt werden.
   Beim Mindestlohngesetz gibt es Klagen über zu viel Bürokratie. 
Können Sie Korrekturen zusagen?
   Wir sammeln die Problemfälle. Ich selbst sehe dringenden Bedarf im
Bereich des Ehrenamtes. Ohne Korrekturen verlieren die Menschen die 
Lust, sich im Verein oder der Kirche zu engagieren. Ich hoffe auch, 
die Einkommensgrenze, ab der die Dokumentationspflicht greift, sinkt.
Aber klar ist: Ein Mindestlohn muss auch kontrolliert werden.
   Schließen Sie Belastungen durch Vorhaben wie die Regulierung der 
Werkverträge oder das Entgeltgleichheitsgesetz aus?
   Ob es Belastungen geben wird, sollen am Ende die Betroffenen 
beurteilen. Was die Entgeltgleichheit angeht: Ich glaube nicht, dass 
auch nur ein Manager in diesem Land will, dass seine Tochter für die 
gleiche Arbeit weniger Geld bekommt als sein Sohn.
Viele Unternehmen befürchten bürokratischen Aufwand.
   Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Berichts- und 
Auskunftspflicht für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern kann 
sicher vernünftig ausgestaltet werden. Außerdem müssen wir mit den 
Tarifpartnern sprechen und darauf hinwirken, dass für Frauen 
nachteilige strukturelle Elemente in Tarifverträgen abgebaut werden.
Wo sehen Sie den Kern der Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft?
   Es gibt eine Reihe von Herausforderungen. Ich habe eine intensive 
Diskussion über die Industrie 4.0 angestoßen. Wir müssen mit der 
Wirtschaft noch mehr reden, wie man Industrie 4.0 und die 
Digitalisierung der Produkte zu einem deutschen Erfolgsthema machen 
kann. Der zweite zentrale Punkt ist die Sicherung der 
Fachkräftebasis.
Wo kommen die Fachkräfte der Zukunft her? Aus dem Ausland?
   Es ist ein Irrglaube, davon auszugehen, man könne Ingenieure und 
Facharbeiter einfach aus dem Ausland holen. Mechatroniker etwa werden
woanders gar nicht ausgebildet. Diese Leute müssen bei uns in die 
Lehre gehen. Ich sehe die erste und wichtigste Aufgabe darin, die 
Quote der Schulabbrecher zu senken und dafür zu sorgen, dass mehr 
Menschen ausbildungsfähig sind.
Müssen wir nicht auch unser Einwanderungssystem überdenken?
   Hochqualifizierte, die einen Arbeitsvertrag in der Tasche haben, 
sollen gerne zu uns kommen. Kämen sie ohne Anstellung, müssten sie am
Ende womöglich wie in Kanada kellnern oder Taxi fahren. Das ist nicht
Sinn der Sache.
Also: Nein zum Punktesystem?
   Wir diskutieren noch. Aber momentan sehe ich keinen Bedarf für ein
eigenes Einwanderungsgesetz. Sinnvoller wäre es, das Anwerben von 
Fachkräften über die deutschen Botschaften mit Hilfe der 
Auslandshandelskammern zu verbessern.
   Manches Unternehmen zieht es ins Ausland, weil die Energiepreise 
steigen. Wann herrscht endlich Klarheit bei der Energiewende?
   Die Energiewende ist eine Mammutaufgabe. Ich bin zuversichtlich, 
dass wir bis zum Sommer zu einer Lösung kommen werden.
   Bayern will die Leitungen nicht akzeptieren und stattdessen neue 
Gaskraftwerke bauen. Bekommt Bayern eine Sonderregelung?
   Die Folge wäre, dass der Strom in Bayern teurer würde als im Rest 
der Republik. Daher bin ich sicher, dass Bayern am Ende einer 
gesamtdeutschen Lösung zustimmen wird.
   Der Netzausbau birgt Chancen für private Investoren. Was halten 
Sie von der diskutierten Bundesfernstraßengesellschaft?
   Das wäre ein großes Projekt für die große Koalition. Ich habe mir 
die österreichische Autobahngesellschaft Asfinag mehrfach intensiv 
angeschaut. Nach meiner Auffassung muss eine solche Gesellschaft auch
in Deutschland gegründet werden. Ich habe dafür viel Sympathie. Die 
Gesellschaft könnte die Autobahnen und die wichtigsten Bundesstraßen 
halten. Die restlichen Bundesstraßen könnten die Bundesländer 
übernehmen und dafür einen Ausgleich vom Bund bekommen. Wir sollten 
die Gesellschaft auch für private Investoren öffnen.
Herr Kauder, vielen Dank für das Gespräch.“
Die Fragen stellten Daniel Delhaes und Klaus Stratmann.
   Das Interview finden Sie auch auf unserer Website unter: 
http://ots.de/sbsyi
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